Kreativ - herzlich - unperfekt

Übergewicht ansprechen?

Übergewicht ansprechen?

Vielleicht ist es die beste Freundin, die Schwester, der Mann oder das eigene Kind. Plötzlich bemerkt man, dass ein geliebter Mensch immer mehr Gewicht anhäuft. Soll ich meinen Lieblingsmenschen darauf ansprechen? Diese Frage stellen sich vermutlich viele Leute, die eine solche Entwicklung wahrnehmen. Dick werden und dick sein ist ein heikles Thema. Alle wissen, dass Übergewicht eine lange Liste von möglichen Erkrankungen und Gefährdungen mit sich bringt. (Ja, auch wir Übergewichtigen wissen das, denn wir sind dick und nicht blöd) Ist es also notwendig, dass man die Person auf das Problem aufmerksam macht? Ich denke ja, das ist es.

Ich hatte die Rolle der Dicken

Seit vielen, vielen Jahren bin ich übergewichtig. Seit der Pubertät kämpfe ich mit meinem Gewicht. Zwar hatte ich zu der Zeit kein hohes Übergewicht, aber die Tendenz war klar zu erkennen. In meiner Familie wurde ich liebevoll „Dicke“ genannt. Das war mein Spitzname. Das hört sich für dich jetzt vermutlich schrecklich an, aber ich habe es damals nie als Beleidigung wahrgenommen. Ich hatte diese Rolle in unserer Familie. Meine Schwester war die Schlanke und ich war die fröhliche Dicke. So bin ich in diese Rolle reingewachsen. Als ich später auszog und es mich in eine andere Stadt verschlug, geriet mein Gewicht außer Kontrolle. Ich wog immer mehr. Als mir das bewusst wurde, versuchte ich dagegen anzukämpfen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, der Jojo Effekt ebenso wenig. Ab dieser Zeit wurde mein Gewicht immer nur zum Thema, wenn ich abgenommen hatte. Sobald es wieder in die andere Richtung ging, wurde geschwiegen.

Jeder muss erst selbst erkennen, dass er ein Gewichtsproblem hat

Heute wünschte ich mir, dass man mich auch auf mein Gewicht aufmerksam gemacht hätte. Denn wie ich schon in einem anderen Blogeintrag erzählt habe, änderte sich über die Jahre meine Selbstwahrnehmung. Nun bleibt aber immer noch die Frage nach dem WIE? Wie soll man Übergewicht überhaupt ansprechen?
Die Antwort: Gar nicht. Hätte man mich Anfang des Jahres direkt darauf angesprochen, wäre ich beleidigt gewesen. Ich hätte die Schotten dicht gemacht und nicht zugehört. Jeder muss erstmal erkennen, dass er ein Problem hat. Jeder muss die Entwicklung wahrnehmen, sonst wird der gutgemeinte Ratschlag einfach nur als Angriff gewertet. Und ich denke, das möchte niemand erreichen. Wie also soll man als Außenstehender helfen? Ich kann dir leider kein Patentrezept geben. Ich habe nicht die perfekte Antwort, aber ich kann erzählen was mir geholfen hätte (bzw. was mir immer noch hilft).

  1. Situationsbedingt agieren

    Mit der Freundin shoppen gehen und mitbekommen, dass sie in die ausgewählten Kleidungsstücke nicht passt. Oder mit dem Mann zum Sport zu gehen und miterleben, wie er nach kurzer Zeit extrem aus der Puste ist. Das alles sind Momente, wo man das Thema aufgreifen kann. Aber bitte, nie nie niemals eine Predigt halten. Zuhören, aufmerksam sein und vielleicht könnt ihr zusammen überlegen, was man ändern kann.

  2. Nicht reden – machen

    Gut gemeinte Ratschläge sind schnell ausgesprochen, diese helfen allerdings nicht wirklich. Beispiel? Natürlich ist Obst besser als Kuchen. Aber mal ehrlich: Bei wem steht denn dann eine Schale mit frischem Obst auf dem Tisch beim Kaffeeklatsch? So etwas wird gerne von den Personen verlangt, die abnehmen sollten oder die gerade abnehmen. Aber wäre es nicht netter, wenn sich die Umgebung ein wenig anpasst. DAS ist echte Hilfe!

  3. Humor öffnet Türen

    Ich kann dir von zwei Arztbesuchen erzählen. Der eine meinte mir an den Kopf klatschen zu müssen: „Was erwarten sie bei ihrem Gewicht? Sie müssen sofort abnehmen!“ (und ja, das wurde mir tatsächlich so gesagt, obwohl ich das erste mal bei diesem Arzt war). Der andere Arzt: „Sie sind zu klein für ihr Gewicht. Ich kann sie nicht wachsen lassen, aber ich kann helfen ihr Gewicht unter Kontrolle zu bringen.“ Bei welchem Arzt würdest du zuerst Vertrauen aufbauen? Natürlich sollte man das Übergewicht nicht ins Lächerliche ziehen, aber Humor öffnet Türen und danach kann man immer noch die Wichtigkeit in den Vordergrund stellen. Belehrungen sind hier völlig fehl am Platz.

Das sind die drei Dinge, die ich mir gewünscht hätte bzw. die ich mir von meiner Umwelt wünsche. Dabei möchte ich eines hier  klarstellen: Ich war mit meinem starken Übergewicht nie zufrieden! Wenn jemand Übergewicht hat, sich aber pudelwohl in seiner Haut fühlt, dann ist das gut so! Dann lass ihn. Wenn ihr merkt, dass jemand aufgrund seines Gewichts unglücklich wird oder das Gewicht ihn vielleicht krank macht, dann sei für ihn da. Unterstütze ihn. Halte keine lange Reden, sondern sei ein Freund, dem man Vertrauen kann. Der auch mal mitleidet und mitschimpft! Und im besten Fall, sei ein Freund mit dem man durch DICK und DÜNN gehen kann 🙂

 

Und jetzt bist du gefragt: Möchtest du auf Übergewicht aufmerksam gemacht werden? Wenn ja, welche Tipps hast du? Was würdest du dir von deinen Freunden wüschen?

 

Liebe Grüße
NeLuMum

 

 



2 thoughts on “Übergewicht ansprechen?”

  • Hi,
    also ich finde, es kommt auch drauf an, wieviel Übergewicht man hat. Ich war selbst als Schüler immer kräftig gebaut. hatte aber nie ein Problem damit, weil ich nicht der schwerste in der Klasse war. Außerdem waren bei uns von 26 Schülern in der Klasse 9 übergewichtig, d. h. für die Mitschüler war das nichts Besonderes. Ich war jetzt allerdings auch nicht extrem dick, hatte mit 15 etwa 90 kg auf 1,75 m => auch bei mir in der Schule gab es da schon Jungs mit über 100 Kilo. Da wurden im Sport-/Schwimmunterricht eher die Dünnen gehänselt, bei denen man die Rippen zählen konnte. So ein Hänfling mit Brille landete bei uns nach der Schule auch ein paarmal im Altpapiercontainer, weil er einfach doof war 😛

    Ich will dir damit sagen, steh einfach zu deinem Übergewicht. Wenn man selbstbewusst und humorvoll damit umgeht, wird man auch nicht gemobbt, nur weil man dick ist. Ich bin jetzt 22 und hab 117 kg auf 1,84 m. Mich stört es nicht. Klar, bei extrem starkem Übergewicht (150 kg aufwärts)muss man schon was machen, aber solange ich unter 125 Kilo bleibe, juckt es mich nicht. Ich mache Krafttraining, fahre viel Fahrrad und spiele Fußball im Verein (Kreisliga natürlich 😀 ) und habe daher eine gute Kondition aufgebaut. Lieber rund und gesund als schlank und krank.

    Dein Philip

    • Hallo Philip,

      vielen Dank für deine Antwort und deine Geschichte!

      Du hast vollkommen recht, dass es auch auf das eigentliche Gewicht ankommt. Dennoch denke ich, dass ein Mensch sich mit 111kg pudelwohl fühlen kann und ein anderer sich mit 85kg total unwohl fühlt. Es geht ja auch darum, den Betroffenen zu helfen gerade wenn sie sich schlecht fühlen. Wenn ich eines aus eigener Erfahrung sagen kann, dann dass Unwohlsein und sich im eigenen Körper schlecht fühlen, isolieren kann. Was ggf. wieder in eine Spirale von Frust und Essen führt…

      Jeder geht anders mit seinem Gewicht um, aber ich denke dass dein Weg der Richtige ist! Selbstbewusst, mit Bewegung und ein einer Riesenportion Lebensfreude. Danke für deine Zeilen.

      Auch wenn ich es dennoch nicht gut heißen kann, dass irgendwer in einem Container landet 😉

      Viele Grüße
      Kerstin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert